Geschichte der Pfarre Pernitz zu Beginn des 20. Jh.

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Große Veränderungen

Zu Beginn des 20. Jh. wurden die schon im letzten Jahrhundert begonnene Modernisierung der Gemeinden fortgesetzt:
1904 wurden in Pernitz die ersten Hochquellwasserleitungen in Betrieb genommen, das Jahr 1908 sah die Elektrifizierung und die Anlegung eines neuen Friedhofs, um 1911 wurde erstmals ein Flugzeug bestaunt und 1914 wurde in Pernitz das erste Kino eröffnet.
Auf Pfarrer Erasmus Hofer, der im Jahr 1903 jung verstarb, folgte Franz Dvořak. 
Er hatte die Fähigkeit, die Notlage der Menschen zu erkennen und sie zu erleichtern. Er war stets milde und nachsichtig und auch ehrlich fromm,
 heißt es über ihn. Pfarrer Dvořak hatte das Glück, dass ihm während seines über drei Jahrzehnte dauernden Wirkens in Pernitz auch eine Reihe tüchtiger Kooperatoren zur Seite stand.
Im Jahr 1903 wurden außerdem in Feichtenbach mit dem Bau des Sanatorium Wienerwald begonnen, das bald medizinischen Weltruhm genoss und zu einem wichtigen Arbeitgeber für die Bevölkerung wurde.
Im Ersten Weltkrieg hatte die Pfarre über 60 Gefallene zu beklagen. In der zweiten Dekade änderten sich noch einmal die Grenzen der Pfarre Pernitz: 1922 wurden die Häuser auf dem Kreuth von der Pfarre Furth losgelöst und eingepfarrt. (Der obere Steinwandgraben und das Ebeltal kamen noch 1929 von der politischen Gemeinde Muggendorf zum Gemeindeverband von Furth). Die bedeutendste Änderung fand jedoch 1925 mit der Einpfarrung Neusiedls statt. Wenn die sumpfigen Wiesen nicht gerade wieder einmal überschwemmt waren, war der Weg zur Pfarrkirche in Pernitz für die Neusiedler Bauern bei weitem angenehmer als jener über die Ochsenheide zur Waidmannsfelder Kirche, der sie rechtlich angehörten. Daher hatten sie sich seit langem nach Pernitz orientiert und die alte Pfarr- und Bistumsgrenze der Piesting unbekümmert überschritten, doch wusten die Pfarrherren von Waidmannsfeld lange Zeit den Verlust ihrer seelsorgerlichen und materiellen Ansprüche zu verhindern – bis eben 1925. Ab 1. März wurde das Dorf Neusiedl eingepfarrt nach Pernitz. Die Einpfarrung wurde von der Einwohnerschaft lebhaft begrüßt, vermerkt der Lehrer in der Schulchronik von Neusiedl.
Auch dadurch, und durch die stetig steigende Bevölkerungszahl von Pernitz selbst, war die Pfarrkirche aber zu klein geworden. Pfarrer Dvořak sammelte daher Holz von den Bauern und Geld für eine Erweiterung der Kirche, doch wurde das gespendete Geld später durch die Inflation infolge der Weltwirtschaftskrise vernichtet.
Da es keinen entsprechenden pastoralen Rahmen für die Jugend gab, gründete der umtriebene Kooperator Ignaz Wiesböck (ᴾ1918–1933) bereits im Jahr 1919 die Katholische Jungmannschaft. Innerhalb dieser formierte sich auch eine Blaskapelle mit 25 Burschen, aus der später die Pernitzer Musikkapelle hervorging. Zur Seite gestellt wurde der Jungmannschaft der Katholische Mädchenbund. Doch ohne ein geeignetes Versammlungslokal war die Jugendarbeit nur schwer zu bewältigen. So wurde schließlich der Plan gefasst, auf einem Teil des ehemaligen Friedhofs ein Jugendheim zu errichten. Im Sommer 1923 wurde mit dem Bau begonnen.
Der Architekt Richard Merz hatte einen repräsentativen, mehrteiligen symetrisch und harmonisch auf die Mitte gestaffelten Bau geplant, der klassische Elemente und solche des Heimatstils verbinden sollte. Die beiden Eingänge wurden in turmartige Zwickelteilen mit Haubendach angelegt. Im zentralen Bühnensaal wurde auf Ständern eine umlaufende Balkonempore errichtet.
Alle Schüttungen, Flächenbetonierungen, die Bühnen-, Galerie- und Deckenkonstrucktion, die Stuckarbeiten und fast der ganze Bodenbelag wurden von vielen fleißigen Helfern in Eigenregie geschaffen. Trotz der wirtschaftlichen Not jener Zeit gab es sehr viele Materialspenden. Allen finanziellen Schwierigkeiten zum Trotz konnte der Saal zu Sylvester 1931 eröffnet werden. Die Jugendvereine führten Instrumentalmusik und Gesangsvorträge ernsten und heiteren Charakters auf, die Stimmung war großartig – der Saal aber bereits zu klein. Erst im Jahr 1935 konnte der Außenverutz durchgeführt werden, am 18. August dieses Jahres erfolgte schließlich die Einweihung durch Theodor Kardinal Innitzer. Ein großes Ziel hatte die Menschen geeint und die Gläubigen dankten es dem himmlichen Beistand, dass mitten in der Zeit der Weltwirtschaftskrise ein Bau mit einem Wert von 200.00 alten Schilling fertiggestellt werden konnte, der Pernitz den Ruhm einbrachte, das schönste, größte und praktischste Pfarrheim der Diözese zu besitzen. 1934 wurden darin eine Bücherei und 1935 ein Pfarrkindergarten eingerichtet.
Die Einwohnerzahl der Gemeinde Pernitz hatte sich binnen weniger Jahre verdoppelt: 1917 zählte man 957 Einwohner, im Jahre 1934 waren es bereits 1931 Menschen. den rund 12 Prozent Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft standen nun 55 Prozent gegenüber, die in Industrie und Gewerbe arbeiteten. Der Gegensatz zwischen der autochthonen, bäuerlich geprägten Bevölkerung und den Arbeitern der Papierfabrik Ortmann wurde zunehmend spürbar. Mitte der 1920er-Jahre lieferte das prosperierende Werk 38 Prozent des weltwieten Bedarfs an Dünn- und Krepppapieren. Um die Jahrhundertwende hatte die Familie Bunzl viele Gastarbeiter aus Böhmen hier angesiedelt, die sich trotz der Bemühungen der Pfarrer nur langsam integrierten. Obwohl die Ortmanner Arbeiter sehr gut behandelt wurden und viele Vergünstigungen genossen, fanden sozialistische und kommunistische Ideen unter ihnen viele Anhänger. 1927 war in Neusiedl ein Volksheim erbaut worden und die Jugend konnte der Sozialistischen Arbeiter-Jugend, den Jungfalken oder den Roten Falken beitreten. Papst Leo XIII. hatte sich bereits 1891 mit seiner bahnbrechenden Enzyklika Rerum novarum zum Fürsprecher der Arbeiter gemacht, doch noch in der Jubiläumsenzyklika Quadragesimo Anno von 1931 heißt es: Der Sozialismus, gleichviel ob als Lehre, als geschichtliche Erscheinung oder als Bewegung … bleibt mit der Lehre der katholischen Kirche immer unvereinbar. Andererseits waren selbst für viele gemäßigte Sozialisten alle Priester, so sie sich nicht am Klassenkampf beteiligten wollten, Todfeinde des Volkes, während Kommunisten und Illegale, die Anhänger der seit 1933 verbotenen NSDAP, sich vornahmen, bald Jagt auf die Pfaffen zu machen.
Pfarrer Dvořak war inzwischen alt und schwer krank, sodass ein Provisor die Pfarre leiten musste. 1933 war dies Wiesböcks Nachfolger, Kooperator Johann Kubessa, im Jahr darauf dann Theodor Blieweis (1906–1981), der als Kooperator der Pfarre Schwarzau seit 1931 im Pernitzer Pfarrhof wohnte. Ausgerechnet im Bürgerkriegsjahr 1934 und ohne jegliche finanzielle Mittel fasste Blieweis den aberwitzigen Gedanken, den Ortmanner Arbeitern eine Kirche gleichsam vor die Nase zu setzen, um sie für den Glauben zurückzugewinnen, und gegen alle Wiederstände setzte er dieses Vorhaben in nur zwei Jahren um. Großzügige Unterstützung erfuhr das Bauvorhaben von Fabriksdirektor Hugo Bunzl, der außerdem versprochen hatte, dafür zu sorgen, dass in der Fabrik keiner mehr wegen seiner Überzeugung angestänkert oder wegen eines Messbesuchs eine ganze Woche lang verspottet würde.
Mit einem großen Kondukt geleiteten die Pernitzer den am 30. März verstorbenen Pfarrer und Geistlichen Rat Franz Dvořak auf den Friedhof. Sein Nachfolger, der am Vorabend der Einweihung der Marienkirche in Pernitz eintraf, war Pfarrer Joseph Ernst Mayer (ᴾ1936–1941). Dieser war ein tüchtiger Seelsorger voller Energie, der nach dem Anschluss an das Deutsche Reich 1948 bald Schwierigkeiten mit den neuen Machthabern bekam. Die Enteignung des Jugendheimes konnte er verhindern, doch durfte es nicht mehr genutzt werden, alle katholischen Verbände wurden ohnehin aufgelöst. Die tausend Bände der Bücherei wurden konfiziert und vernichtet, der Kindergarten muste der Nationalsozialistischen Volksfürsorge übergeben werden. Pfarrer Mayer ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Er Eröffnete für die Gemeindearbeit eine Kapelle im Kuhstall des Pfarrhofes und eine in Feichtenbach und in Thal. Er kämpfte dafür, dass das Geläute der Neusiedler Dorfkirche weiterhin ertönen dürfe und er führte den von seinem Vorgänger begonnenen Pfarrbrief weiter. Im März 1939 erhilt er einen Brief aus Berlin: Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda erteilt dem kleinen Landpfarrer einen scharfen Verweis und ersucht, in Zukunft derartige Beanstandungen zu vermeiden. Besonders verärgert hatte die Nazis, das Mayer im Pfarrbrief an einen für sie peinlichen Vorfall erinnert hatte, dass nämlich Adolf Hitler für Edda, die Tochter Hermann Görings, Taufpate geworden war, das beweise doch, dass der Führer die christliche Religion keineswegs so ablehne, wie manche meinten. Da der Pfarrer auch weiterhin seine Meinung sgte, musste er im Mai 1941 schließlich Folgendes selbst verkünden: Der Pfarrer muß über Anordnung der Gestapo am 31.Mai das Gebiet der Ostmark verlassen. Auf Vorschlag des Pfarrers wurde der frühere H. H. Kaplan Franz Weiß zum Administrator d. Pfarre ernannt. Der Pfarrer ermahnt die Gläubigen, ruhig und besonnen zu bleiben und sich zu keinen unüberlegten Äußerungen hinreißen zu lassen. Auch Kaplan Leopold Schöfbeck (1909–1946) hatte sich dem Regime widersetzt und war kurzfristig sogar in Gutenstein in Haft genommen worden. Pernitz muss daher nicht nur als ein Zentrum des politischen Widerstandes gegen die Nationalsozialisten gesehen werden, sondern auch als Beispiel für den mutigen Widerstand von kirchlicher Seite.
Ab Juni 1941 führte also Franz Weiß die Pfarre, der Pernitz bereits aus seiner Zeit als Kooperator 1934 bis 1937 kannte. Im Pfarrgebiet lebten damals 3516 Katholiken, 131 evangelische und andere Christen, 476 Gottesgläubige und 2 Juden.
Als gegen Ende des Krieges im April 1945 Pernitz Frontgebiet war, hatte eine Kampfgruppe der SS mit 11 Lastkraftwagen im Pfarrhof Quartier bezogen. Am Kirchenplatz standen sechs Panzer und Maschienengewehrstellungen. Diese wurden zum Ziel sowjetischer Luftangriffe, doch wie durch ein Wunder blieben Kirche und Pfarrheim verschont, der Pfarrhof jedoch wurde arg in Mitleidenschaft gezogen. Pfarrer Weiß versteckte die Kirchenbücher und Kelche in Thal und hielt dort Gottesdienste im Freien. Mit dem Allerheiligsten im Rucksack besuchte er die Leute im Schwiglhofer-Keller, im Au-Bunker und im Keller von Rieglhof in Thal. Als er nach den letzten Schüssen aus dem Au-Bunker kam, lagen tote Soldaten in der Kirche und im Pfarrhof. Noch im Mai räumte er auf Anraten des Oberbürgermeisters von Pernitz, Neusiedl und Muggendorf Ing. Hans Mayer mit der Pfarrjugend das Pfarrheim auf und verhinderte dadurch, dass es in die Verwaltung der sowjetischen Besatzungsmacht kam.
1946 wurde Franz Weiß als Pfarrer von Pernitz bestätigt, im Jahr darauf rüstete die Pfarre zu ihrer 500 Jahresfeier. Pfarrkirche, Heim, Pfarrhof, die alte Friedhofskapelle und die Sebastianisäule am Kirchenplatz, das alles in den Kriegstagen schwer gelitten hatte, war in langer, mühevoller Arbeit wieder in Ordnung gebracht worden und bot einen schönen Rahmen für die Festlichkeit.

Joseph Ernst Mayer

wurde am 25. Februar 1905 in Wien geboren. Beim frühen Tod seiner Mutter – der Vater war im Krieg – wurden die drei Kinder auf die Großeltern aufgeteilt, was häufige Wohnorts- und Schulwechsel mit sich brachte. Nach der Matura am Gymnasium Hollabrunn studierte Joseph Ernst Theologie in Wien. Prägend war für ihn die Mitgliedschaft im Bund Neuland. Nach seiner Priesterweihe 1929 wirkte er als Kaplan in Wiener Neustadt und Wien und ab 1936 als Pfarrer in Pernitz, bis ihn die Nationalsozialisten 1941 in die Verbannung schickten.
Nach dem Krieg kehrte J. E. Mayer nach Österreich zurück und leitete ab 1946 über 30 Jahre lang die Pfarre Hetzendorf in Wien XII. Er schrieb zahlreiche Bücher und trieb die liturgische und pastorale Erneuerung voran. Kardinal König würdigte ihn später als einen Wegbereiter jener Ideen, denen das Zweite Vatikanische Konzil zum Durchbruch verhalf. Als er auf dem Liturgischen Kongress in Mainz 1964 die Messe in deutscher Sprache forderte, entzog ihm Bischof Volk das Wort, erteilte es ihm jedoch wieder, als die rund 2300 Zuhörer in Sprechkchören Weiterreden! Weiterreden! forderten. 1978 wurde ihm vom Papst Paul VI. die Ehrenprälatwürde verliehen. Im Juni 1989 konnte Prälat Mayer sein diamantenes Priesterjubiläum feiern. In seiner Pension wirkte er journalistisch weiter, unter anderem als Kolumnist der Wiener Kirchenzeitung. 1997 erschien sein letztes Buch Zur Liturgie von heute und morgen, im Jahr darauf, am 11. Dezember 1998, verstarb er in Wien. Der von ihm gestiftete Ewig-Lich-Leuchter in der Pfarrkirche Pernitz erinnert die Pernitzer an diesen mutigen Hirten.

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