Geschichte der Pfarre Pernitz ab dem 19. Jh.

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Die Pfarre Pernitz im Vormärz

Am 29. Dezember des Jahres 1802 gelangte der Reiseschriftsteller Joseph Carl Wagner nach Pernitz und notierte:
Dieses war der unreinste unter allen bisher gesehenen Orten; es war nicht nur die Strasse sehr kothig, obwohl rund herum alles trocken war, sondern auch die Häuser ziehmlich schlecht, und schmutzig; Unreinlichkeit blickte aus allen, sogar an den Gesichtern der Bewohner vermißte man selbe nicht.
Doch das ebend begonnene Jahrhundert würde große Veränderungen mit sich bringen. Schon bald schilderten die Besucher den Ort freundlicher: So schrieb Joseph August Schultes 1807: Die gut gebauten Häuser dieses kleinen Oertchens stechen gar sehr von den ärmlichen hölernen Hütten ab, die man von Wopfing bis hierher an der Straße sah. Franz Xaver Joseph Schweickhardt vermerkte um 1837: Der wohlgeformte Ort liegt in einem sehr schönen länglichen Thale, in einer wahrhaft romantischen Gegend, die durch die vielen malerischen Gebirgsgruppen außerordentlich verschönert, und daher von vielen Freunden der Natur zur Sommerzeit besucht wird. Und 1842 schrieb Friedrich Koch: Ringsumgeben von schöngeformten, reichbewaldeten Bergen liegt dann plötzlich vor den Augen des Wanderers das freundliche Dorf Pernitz mitten in einer Fülle üppiger, mit herrlich duftenden Blumen besäeten Wiesen und Felder … 
Der Unterschied dieser Schilderungen ist nicht nur auf jahreszeitlich bedingte Wahrnehmung zurückzuführen, sondern auch auf eine Entwicklung, welche der Ort zweifellos genommen hatte. Ermöglicht wurde diese durch vergleichsweise ruhige Zeiten. Die letzten ungebetenen Gäste im Tal waren französische Truppen, die 1805 und 1809 im Zuge der Napoleonischen Kriege die Gegend ausplünderten. Danach begann eine Zeit des Friedens. Ob Österreich jetzt ein Kaisertum war oder ob das Heilige Römische Reich Deutscher Nation erloschen war, das alles kümmerte die Waldbauern wenig. Viel unmittelbarere Auswirkungen auf sie hatte der Bau neuer Straßen. 1808 wurde durch das Militär, das auch in Pernitz monatelang Quatier bezog, die Commercialstraße, die heutige B21, angelegt. 1826/1827 wurde eine richtige Straße über den Hals nach Pottenstein gebaut, wo früher nur ein gefährlicher Fahrweg für leichte Fuhrwerke bestand. Drei Jahre später regulierte man den Kalten Gang zwischen Gutenstein und der Neusidler Sägemühle. Jahrhundertelang hatte die wilde Natur der LAndschaft die Menschen geprägt, nun kehrte sich dieses Verhältnis um: Während man um 1800 noch von Opfern durch Wölfe hörte, wurde 1832 durch den Fabriksbesitzer Fischer aus St. Egyd der letzte Bär erlegt und im Jahr 1866 wurde auf der Mandling der letzte Wolf in Niederösterreich geschossen. Die Wälder waren mit einem Schlag ein gutes Stück heller geworden. Durch die bessere Straßenanbindung siedelten sich im Piestingtal neue Industriebetriebe an. Neben Holz und Holzkohle wurde nun auch Kiefernharz zu einem wichtigen Handelsgut, 1810 wurde in Pernitz eine Pechsiederei eröffnet.
Das wildromantische Piestingtal aber entsprach ganz dem Geschmack der Zeit des Biedermeier. Reiseschriftsteller aus der Stadt wagten sich weit in die Wildniss vor und brachten exotische Berichte von den Eingeborenen mit nach Hause: Ueberhaupt scheint Armuth und Noth mit ihrer Schwester Unwissenheit so ziemlich schwer auf die Bewohnerdes Thalweges von Starhemberg bis Pernitz zu drücken. … Man sieht auch hier schon Männer und Weiber mit dicken Hälsen und deutlichen Spuren von Blödsinn.
Diese Berichte führten ebendso zu einem gesteigerten touristischen Interesse wie die Tatsache, dass auch Prominenz das Tal besuchte: Schon 1801 hatten Ihre Majestäten Kaiser Franz II. und Maria Theresia (von Neapel-Sizilien) die Myrafälle von Muggendorf bewundert. 1834 erwarb der Beliebte Volksschauspieler und Dichter Ferdinand Raimund eine Villa bei Pernitz und trug damit ebenso zur Bekanntheit der Gegend bei wie die in Miesenbach beheimateten Landschaftsmaler Jakob, Carl und Friedrich Gauermann.
Die Siedlungen wuchsen.
Um 1830 wird folgende Statistik aufgenommen: Feuchtenbach, 32 Häuser, 249 Personen; Neusiedl, 33 Häuser, 163 Personen; Pernitz, 41 Häuser, 256 Personen; Mukendorf, 24 Häuser, 202 Personen; Kreith (Pfarre Furth), 12 Häuser, 101 Personen. Die Herrschaftsverhältnisse waren kompliziert. Von den 41 Häusern von Pernitz etwa gehörten 3 der Herrschaft Enesfeld, 4 der Herrschaft Klein-Mariazell, 8 der Herrschaft Hernstein und 9 waren der Herrschaft Gutenstein dienstbar.
Zu dieser Zeit war der Pfarrer von Pernitz Josef Hofmann(1818–1831, Dechant ab 1827), ein Reformer, der sich theologisch an protestantischen Ideen orientierte. Er bekämpfte die Verehrung des Maria Landshuter Altars (mit einer Kopie des Gnadenbildes von Maria Loreto) in der Pernitzer Kirche als Aberglaube, trat gegen bestimmte Andachten auf, vernachlässigte die Beichte und zündete das Ewige Licht aus Sparsamkeit nur noch sonntags an. Bei der Bevölkerung kam er damit nicht gut an, wie ein Eintrag seines Nachfolgers in der Pfarrchronik beweist:
Will man seine Pfarrkinder zu Hause behalten, so soll sich der Pfarrer angelegen sein lassen, den Gottesdienst zur bestimmten Zeit und pünktlich abzuhalten, eindringender seinen Vortrag machen, den Schullehrer zur Abhaltung der Chormusik verhalten, selbst aber von der Flamme der Andacht ergriffen seyn, und das H. Sakrament der Buße unverdrossen ausspenden. Wenn man aber die Pfarrkinder mit einer luftigen Segenmesse abspeiset, und sie zur Beicht nach Gutenstein schickt, so ist es kein Wunder, wenn der noch bessere und eifrigere Theil der Pfarrgemeinschaft sich anderwärtig um Hilfe umsieht, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Kein Wunder ist es daher, wenn an den hohen Festen die Pfarrkirche halb leer bleibt.
Im Jahr 1831 kam als neuer Pfarrer Nikolaus Gaal von Gyula. Er musste binnen kürzester Zeit von Schwarzenbach nach Pernitz übersiedeln, weil er sonst durch die Quarantänebestimmungen möglicherweise nicht mehr dazu in der Lage gewesen wäre. Die Cholera ging um und strenge Gesetzte waren zur Kontrolle dieser Seuche erlassen worden, die, wie man sagte, aus Asien stammte und in Ungarn bereits 100.000 Opfer gefordert hatte.
Niemand durfte ohne Pass den Kordon der Quarantänegebiete passieren, wer es doch wagte, wurde erschossen. Symtome einer Erkrankung mussten sofort gemeldet werden. Die Kranken wurden in Krankenhäuser und Notspitälern verlegt, auch eigene Friedhöfe sollten errichtet werden, wo doe Opfer schnell und ohne Seelenamt oder kirchliche Einsegnung beigesetzt werden konnten. Die Ärzte sollten zum Schutz vor Ansteckung mit Kleidung aus Wachstuch arbeiten, die Priester die Wegzehrung mit einem Löffelchen und das hl. Öl mit einem Stäbchen darreichen. Pfarrer Gyula schreibt: mit einem Worte: alle möglichen Vorsichtsmaßregeln, die öfters an das Lächerliche gränzten, waren angewandt, um dieser Seuche vor dem Einbruch nach Österreich zu wehren; doch half alle Anstrengung, menschliche Weisheit und Vorsicht nicht …
Im August 1832 ergriff die Cholere Pernitz. Die Erkrankten lebten nach dem Ausbruch kaum länger als einen Tag. Wenige genasen von dieser Krankheit; die angewandte ärztliche Hilfe war fast vergeben. Für die Aufnahme der Kranken wurde das Halterhaus in der Haltergasse bestimmt. Für die vorgeschriebene Errichtung einesCholerafriedhofs wollte niemand aus der Gemeinde ein Grundstück hergeben, so widmete der Pfarrer das Eck des Kohlwiesenackers am Fuß des Sebastianiberges. Doch es kam nicht dazu.
In der Pfarre pflegten die Angehörigendie Kranken zu Hause und die Toten wurden am gewöhnlichen Friedhof beigesetzt. Bis zum Oktober starben 37 Pfarrkinder. Michel Berger, Knecht in der Kohlhofmühle, Amt Neusiedl № 1, ein untersetzter, junger rüstiger herzhafter Bursch, der keine Scheu gegen diese Krankheit hatte (denn man behauptete, daß Scheu und Furcht diese Krankheit bewirken) war der letzte, welche dieser Würgeengel mordete. In diesen bedrängten Tagen gab es Tag und NAcht keine Ruhe, ich und mein H. Cooperator Anton Schießl waren immer mit Versehgängen oder Krankenbesuchen beschäftigt, … Der Herr sey der wenigen und schwachen Arbeit seiner unnützen Knechte, deren Geist zwar willig ist, am Tag der Vergeltung eingedenk!
In diesem Jahr nahm die Cholera von hier und von allen österreichischen Staaten ihren Abschied, und durchzog fast alle Länder Europas, in welchen größtenteilsGährung, Verschwörung, Absetzung rechtmäßiger Könige, Wegwerfung alter Verfassungen in Gange waren. Alle erleuchtete [sic!] Christen betrachteten selbe als eine Heimsuchung und eine gerechte Straft des erzürnenden Gottes über die entartete Menschheit.
 Unter dem Eindruck dieser Ereignisse, so berichtet der Pfarrer, besuchten die Gläubigen fleißig das Haus Gottes. Im selben Jahr wurde auch eine Christenlehre in Thal und Feichtenbach eingeführt, um jene zu erreichen, die wegen der großen Entfernung nicht in die Kirche kamen, und auch um der Unwissenheit und Zügellosigkeit der Jugend entgegen zu wirken.’Interessant ist, dass der Pfarrer die revolutionäre Stimmung in Europa festhilt. Auch im Kaisertum Österreich blieben Probleme wie das alte Feudalsystem, die Not der aufkommenden Arbeiterschaft, die Forderungen der Bürger und Studenten nach Pressefreiheit und mehr Mitbestimmung ungelöst und führten zu zunehmenden Spannungen mit dem Metternichschen System, die sich im März 1848 in Form einer Revulotion entluden. Diese brachte zwar nicht wie von manchen erhofft das Ende der Monarchie, doch eine Reihe wesentlicher Veränderungen. Die Bauern waren „befreit“, sie waren nicht länger Untertaneneines Grundherrn, sondern zahlten von nun an Steuern an das Steueramt in Gutenstein. Auch die Gerichtsbarkeit ging vom Grundherrn auf den Staat über. Die Gemeinden wurden freie, autonome Körperschaften. Im Jahr 1850 vereinigten sich unter dem letzten Richter von Pernitz, Mathias Hollinger, Pernitz und Feichtenbach zur Ortsgemeinschaft Pernitz.

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