Geschichte der Pfarre Pernitz ab dem 17. Jh.

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Eine neue Herrschaft

Im 17. Jh. erhielt das Dorf Pernitz eine neue Herrschaft.
Am 26. April 1628 hatte Kaiser Ferdinand II. Johann Balthasar von Hoyos und seine Nachkommen in den Reichsgrafenstand erhoben. Vier Jahre später, 1632, verkaufte die Familie Heussenstein, Herren über Hernstein-Starhemberg, aufgrund finanzieller Schwierigkeiten die Ämter Scheichenstein und Pernitz an die Grafschaft Gutenstein.
Es scheint kein Zufall zu sein, dass ab dieser Zeit nur noch St. Nikolaus als Patron der Kirche genannt wird, die ja ursprünglich (zumindest bis 1525) beiden Heiligen geweiht war und später zeitweilig nur als Stephanus-Kirche geführt worden war.
Pfarrlich blieb Pernitz jedoch bei Hernstein und wurde, wie die im Anhang wiedergegebene Liste der Pernitzer Pfarre zeigt, nun fast zwei Jahrhunderte lang ausschließlich mit Zisterzienserpatres aus Neuberg besetzt, die in Pernitz auch die erste Schule errichteten.
Der erste überlieferte katholische Pfarrer des 17. Jh. ist P. Georg Dechant Paulus Braun aus Guntramsdorf notiert anlässlich einer Visitation im Jahr 1629 über ihn, er sei um Mitternacht mit einem Geiger lustig zu Hause kommen, hat aber mir solches morgens mit grosser Reue abgebetten, sich straffallig erkannt und mir anstatt des Ordinari grosse Ehre erwiesen, seine zwei Kirchen und Alles eröffnet und gezeigt. Hat vor etlich Jahren bei einer seiner ledigen Dienstmägten ein Kind erzeugt, sie aber seinem Knecht verheurathet, seithero hört man in Unehren nicht mehr von ihm.

Das frühe 17. Jh. war ein Höhepunkt der Hexenprozesse. Auch aus dem Gerichtssprengel Gutenstein sind Fälle überliefert. Im Jahr 1641 etwa wurde Brigida Prandtstetterin, ein altes Weib aus der Längapeisting, der Blutschande mit ihrem Sohn Steffl bezichtigt. Im Verhör bekannte sie unter Folter eine Vielzahl von Verbrechen. 20 Jahre lang habe sie einem Geist namens Hänsel gedient. Überdies sei sie auf der Ofenpfanne mehrmals auf den Schneeberg geflogen, um dort mit anderen Hexen den Kühen die Milch auszumelken. Das ehrsame unpartheiische Geding des Landgerichts Gutenstein verurteilte sie, auf dem Scheiterhaufen lebendig zu Pulver und Asche verbrandt zu werden. Dies geschah wohl am Gerichtsberg zwischen Gutenstein und Pernitz. Ihr Mann Georg wurde des Gerichtssprengels verwiesen.

Bild: „Briefmaler“: Stefan Hamer; Holzschnitt: Erhard Schön

Schwedennot

In der letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges drangen die Schweden von Norden her in das Land ein, kamen jedoch nur bis Krems und Korneuburg. Die Schwedennot nördlich der Donau dauerte fast eineinhalb Jahre. Nachdem der Westfälische Frieden geschlossen worden war, erließ Kaiser Ferdinand III. 1650 ein Patent, in dem er befahl, die Stainer, anderen Creutz und Bett Marter Säulen … wider umben auffichtet vernewert und darein oder daran ein Crufifix mahlen insonderheit eines jeden Creutz in ainen Stain oder eysen Bleich mit erhoben wohl lesslichen Buechstaben machen lasset: Lob Preiss und Danck dem Friedens Gott der uns hat gführt aus der Kriegs Noth …

Das Jahr 1653 ist erwähnenswert, weil in ihm das erste, noch erhaltene Matrikelbuch der Pfarre angelegt wurde. 1661 errichtete Sebastian Schlager, Schmied und Marktrichter von Gutenstein, aufgrund eines immer wiederkehrenden Traumes auf dem Buchschach bei Gutenstein (heute Mariahilfberg) einen Bildbaum mit einer Kopie des Gnadenbildes von Mariazell. Bald ereigneten sich dort Wunder und erste Pilger zogen auf den Berg. Johann Balthasar II., Graf von Hoyos (1626–1681), lie0 daraufhin 1668 eine Wallfahrtskirche erbauen, deren Betreuung 1672 der Servitenorden übernahm, der neben der Kirche ein Kloster gründete und dann auch die Pfarre seelsorglich mitbetreute. Infolge eines Gelübdes pilgerte Kaiser Leopold I. mit seiner Gemahlin und dem ganzen Hofstaat nach Gutenstein, woraufhin die Wallfahrten stark zunahmen.
Diese neue Wallfahrt auf den Mariahilfberg stand in Konkurrenz zu der auf den Pernitzer Sebastianikogel. Als Graf Hoyos das Vogtei- und Lehensrecht über die Pfarre Pernitz und damit die Sebastianikirche beanspruchte, entstand zwischen der Herrschaft und dem Stift Neuberg ein langjähriger Streit, der 1680 in der Entführung der Kirchenlade aus dem Pfarrhof gipfelte. Der Graf bekam von der Regierung dafür eine Strafe von 1000 Dukaten auferlegt, die er, selbst Landmarschall, vor dem Landmarschall-Gericht anfocht. Selbst Kaiser Leopold I. konnte keinen Vergleich erzielen. Erst nach dem Tod des Grafen wurde das Stift Neuberg in seinen Rechten bestätigt.

Pest und Türkenrummel

Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) war die Bevölkerung des Piestingtals glücklicherweise von Kapfhandlungen verschont geblieben, doch die beiden letzten Jahrzehnte des 17. Jh. sollten noch viel Schrecken und Tod bringen. Als erste Heimsuchung kam 1679 die Pest nach Österreich. Durch Flohbisse wurden die Erreger von Ratten auf den Menschen übertragen. Die Erkrankten bekamen hohes Fieber mit Schüttelfrost, Kopf- und Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Hautblutungen und sich schwarzblau verfärbende Beulen. Jeder Zweite mit diesen Anzeichen starb längstens nach einigen Tagen, ohne dass ein Arzt etwas dagegen vermocht hätte.

Ein Pestkrankenhaus zur Zeit der Pandemie (zeitgenössischer Stich nach einem Entwurf von Lodovico Ottavio Burnacini)

Besonders hoch war die Ansteckungsgefahr in der Enge der Städte. In Wien, wo mindestens ein Drittel der Bevölkerung dahingerafft wurde, brach die bürgerliche Ordnung völlig zusammen. Wer konnt, floh auf das Land, wodurch Quarantänemaßnahmen unterlaufen wurden. Ärzte und Krankenpersonal mussten mit Gewalt zum Bleiben gebracht werden. Für das Ausheben der Massengräber wurden Strafgefangene verpflichtet. Der Berühmte Prediger Abraham a Sancta Clara zog sich für fürf Monate in das Haus seines Gönners zurück – des niederösterreichischen Landmarschalls Johann Balthasar Graf Hoyos, für den er täglich in einem Saal die Messe las. Hier fand er auch die Zeit, an seinem ersten umfangreichen Werk, Merk’s Wienn!, zu arbeiten. Keine Scheu vor den in den Straßen tagelang herumliegenden Pestleichen hatte Marx Augustin, der als lieber Augustin in die Geschichte einging. Die Pest forderte auch im Piestingtal zahlreiche Opfer. In Gutenstein, so berichtete der Chronist des Hauses Hoyos, wurde das erste Opfer am Friedhof beigesetzt, die folgenden Toten wurden sämtlich im Walde eingegraben. In tempore pesti genoss der Pestheilige Sebastian besondere Verehrung. Doch nur vier Jahre nach der Pest kam eine noch schlimmere Heimsuchung.

Anno 1683.

Auf dem Höhepunkt ihrer Machtentfaltung versuchte die Hohe Pforte noch einmal, den Goldenen Apfel, die Stadt Wien, zu erobern. Der Sultan ließ seinen Großwesier Kara Mustafa Pascha eine Armee mit 180.000 Mann nach Westen führen. Hilfstruppen wie die aufständischen ungarischen Kuruzen schlossen sich unterwegs an.
Die für Europa schicksalshafte Belagerung Wiens dauerte vom 13. Juli bis zum siegreichen Entsatz am 12. September. Das Haupheer konzentrierte sich auf die Haupt- und Residenzstadt, aber zahlreiche Orte des Umlandes hatten schwer an Streifzüglern zu leiden. Anfang Juli erreichten Heeresteile das Steinfeld und fielen in das Gebirge ein. Wieder waren es nicht die Elitetruppen der Janitscharen oder Sipahi, denen diese Aufgabe zukam, sondern in erster Linie nichttürkische, irreguläre Truppen wie die Tataren aus den Krim-Khanat, die intensieven Sklavenhandel pflegten. Dass sebst die abgelegensten Gehöfte des Pfarrgebietes wie im Atz oder auf der Mandling nicht dem Terror entgingen, erklärt sich daraus, dass die Tataren Meuten von Spürhunden mit sich führten. Anders als die Bewohner an der Piesting, die zumindest durch Flüchtlingsströme vorgewarnt waren, kam der Sturm für die Bewohner der Seitentäler völlig unerwartet. Die Alarmierung durch Kreidfeuer hatte nicht wie geplant funktioniert.

Viele Fluchtburgen wie die Burg Merkenstein waren vernachlässigt oder verfallen. Auf Starhemberg fanden sich tausende Flüchtlinge ein. Am sichersten aber waren die Menschen in der Burg Gutenstein, wo man rechtzeitig für umfangreiche Verteidigungsmaßnahmen gesorgt hatte. Dort drängeten sich Flüchtlinge aus 50 Ortschaften zusammen. Auch viele Pernitzer dürften sich hinter die Passtore geflüchtet haben, denn Pernitz soll mit nur einem Drittel der Bevölkerung an Opfern relativ „gut“ davon gekommen sein, während etwa Furth vier Fünftel seiner Bevölkertung einbüßte, da die Grundherrschaft Merkenstein keinen geeigneten Zufluchtsort zu Verfügung stellen konnte. Die Pernitzer Kirchenmatriken aus dieser Zeit sind erhalten, aber lückenhaft. Ein genaues Bild von den Schäden ergibt sich jedoch aus einem Bericht, den die niederösterreichischen Stände noch im Herbst des Unheilsjahres angefordert hatten, sowie aus Protokollen der herrschenden Verwaltungen.

Sipahis, berittene Söldner des Sultans

Diesen zufolge brannten in Pernitz 31 von 34 Häusern ab, in Neisiedl 24 von 25. In Muggendorf alle 38 steuerpflichtigen Häuser ab und nur jeder Dritte konnte sich retten:

Jacob Pauer u. Helena und 4 Kinder von Türken gefangen; Deanst: Regina Wanzenbeck und 6 Kinder von den Türken gefangen; Halbwachs: Peter Ruesch niedergehaut, 2 Kinder gefangen; Hausl: Gregori Wanzenbeck, Weib und 3 Kinder verloren; Caspern: 5 Kinder und Schwägerin von Türken gefangen; Pastaler: Math. Lenz, Frau und 5 Kinder von Türken verschleppt usw. usf.

Der zuletzt genannte ließ als Muggendorfer Amtmann den Augenzeugen Jacob Wantzenpöck unter Eid aussagen, dass die Frau des Wöllersdorfer Richters Michael ihre Gefangennahme durch die Tataren nicht überlebte:

… daß im verwichenen 1683. Jahrs den Frydag vor vor Jacobi [23. Juli 1683] der Erbfeind eingefallen, ihn Wantzenpöck, die Maria Fuckerin und ihren Sohn Michael 18 Jahr alt und einen fremten von Ungarn herauf abgefangen, weil die Fuckerin sich aber nicht ergeben wolltehat der Feint sie schröcklich gehauet, an einen Roß Schweiff gebunden und also stark geschlaget. Wann sie nit hat laufen wollen,haben sie allweil hingehauet und gestochen, daß sie ganz tödlich verwundet gewest.

Auch Kranke, Krüppel und geistig Behinderte wurden von den Tataren nicht verschont.

Rauchfahnen stiegen von den Siedlungen zum Himmel, die Überlebenden kehrten in Ruinen zurück. Das Vieh war weggeführt, die Ernte vernichtet. Die Menschen versuchten eilig, sich auf den nahenden Winter vorzubereiten. Von den Verschleppten kehrten nur die wenigsten zurück und wenn doch, so verschwiegen sie aus Scham oftmals das Erlebte. Trotz drohender Fornikationsstrafen nahmen die Überlebenden, die über das Schicksal ihrer Eheleute im Ungewissen blieben, oft neue Gatten zu sich. Die soziale, wirtschaftliche und herrschaftliche Ordnung war völlig zusammengebrochen.Trotz mehrjähriger Steuerbefreiung sollte der Wiederaufbau lange Jahre dauern. Dagegen konnten sich durch den starken Rückgang der Bevölkerung die Wildtiere stark vermehren. In den Wäldern wimmelte es von Wildkatzen, Luchsen, Wölfen und Bären. Noch lange versetzte der Anblick eines Reiters die Menschen in Schrecken und Angst, sodass sie bei seinem Anblick flüchteten, ohne sich erst zu vergewissern, ob es ein Türke oder ein Kaiserlicher sei.
An diese Zeit erinnern im Pfarrgebiet von Pernitz mehrere Sagen, die teilweise an Orte wie den Hausstein, den Luckerten Stein, den Parzenkogel (Türkenradl) oder die Steinwandklamm (Türkenloch) geknüpft sind, sowie auch das Hahnkreuz und die Totenleuchte in Thal.
Das Kloster Neuberg ließ die zerstörte Kirche neu errichten und erbaute anstelle des abgebrannten Pfarrhofes 1687 unmittelbar neben der Kirche den neuen, heute noch stehenden Pfarrhof.

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